Interview vom 01.03.2010
Sie haben im letzten Jahr den Verein Learn Money mitgegründet. Welche Ziele verfolgt der Verein? Carolina Müller-Möhl: Mehr als ein Viertel aller jugendlichen Schweizerinnen und Schweizer geben mehr Geld aus, als sie haben, sie sind also – formell oder informell – verschuldet. 80 Prozent aller Verschuldeten sind dies bereits vor dem 25. Lebensjahr.
Diese erschreckenden Zahlen einer Studie der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW zeigen deutlich auf, dass die jungen Menschen in unserem Land den Umgang mit Geld nicht lernen. In Deutschland sieht das nicht besser aus. Finanzwirtschaftliche Bildung ist aber notwendig, um die Grammatik der heutigen Gesellschaft zu verstehen. Der Verein verfolgt entsprechend das Ziel, die bildungspolitischen Entscheidungsträger davon zu überzeugen, Wirtschaft als Schulfach nachhaltig und flächendeckend in den Lehrplänen deutschsprachiger Länder zu verankern.
Der Friedensnobelpreisträger und Ökonom Muhammed Yunus hielt dieses Jahr am World Economic Forum in Davos eine Schulstunde. Wie kam es dazu?
Wir wollten den Schülerinnen und Schülern zeigen, dass Wirtschaftsunterricht Spass machen kann. Yunus hat den verantwortlichen Umgang mit Geld in seinem Heimatland und vielen anderen Ländern mit seiner Mikrofinanzbank massgeblich gefördert und hat mit seinem Modell des Social Business einen Weg gefunden, soziale Probleme mit unternehmerischen Mitteln anzugehen. He walks the talk! Er schien uns entsprechend ein geeigneter Lehrer zu sein. Dem Verein Learn Money geht es aber nicht darum, nur für die Idee des Social Business einzustehen! Es geht vielmehr darum, mit Persönlichkeiten wie Yunus die Aufmerksamkeit der Schüler hinsichtlich wirtschaftlichem Denken und Handeln zu wecken. Eine Umfrage unter den Schülern hat gezeigt, dass viele von ihnen mehr zum Thema Wirtschaft erfahren möchten.
Welche weiteren Projekte verfolgt der Verein?
Es laufen zurzeit parallel verschiedene Projekte. Konkret plant der Verein zum Beispiel eine «Pisa-Studie» über das aktuelle Wirtschaftswissen von Schülern im deutschsprachigen Europa. Mit diesen Resultaten hätte der Verein ein weiteres Indiz an der Hand, dass das Wissen in diesem Bereich absolut mangelhaft ist. Durch die Etablierung eines entsprechenden Schulfachs, das die Bereiche Konsumerziehung und Verschuldungsprävention mit in den Wirtschaftsunterricht einbezieht, könnte man dies verbessern. Das muss natürlich stufengerecht und angepasst an den Entwicklungsstand geschehen. Zudem erarbeiten wir ein Konzept für einen Schulworkshop, und die nächste Schulstunde mit Yunus und Learn Money findet voraussichtlich in Deutschland statt. Darauf freue ich mich!
Wo sehen Sie die Schwächen der bisherigen Bildung zu den Themen Wirtschaft und Finanzen?
Bildung hat zur Aufgabe, Wissen zu vermitteln, das unsere Jugend benötigt, um sich in einer komplexen, globalisierten Welt zurecht zu finden. Dazu gehört auch das Verständnis für ökonomische und volkswirtschaftliche Zusammenhänge – der Umgang mit Geld. Je besser man Bescheid weiss, desto kritischer kann man doch all den Verführungen der Konsumwelt begegnen und ein gesundes Misstrauen entwickeln, wo es um Werbung und Kundenfang geht. In den Lehrplänen gibt es keine Verpflichtung zur Behandlung dieser Themen. Das ist eine verpasste Chance.